Zivilcourage im Alltag |§| Definition & Information (2024)

Jedem ist der Begriff wohl schon einmal im Laufe seines Lebens begegnet, doch so richtig greifen können die wenigsten die Bedeutung von “Zivilcourage”. Für eine Sache einstehen, in Politik und im Alltag für etwas eintreten und kämpfen, Zähne und Mut zeigen?

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Das Problem bei der Zivilcourage ist, dass sie mittlerweile überall anzutreffen ist und auch gerne in zahlreichen Zusammenhängen Erwähnung findet: Politiker, Bürger und Organisationen zeigen Zivilcourage im Kampf gegen Rechtsradikalismus – oder wie mittlerweile üblich: Rechtspopulismus -, Fremde greifen in körperliche Auseinander­setzungen ein, um anderen zu helfen, an und in Bussen und Bahnen in großen Städten wird die Zivilcourage wohlwollend “beworben”. Doch was genau bedeutet denn nun Zivilcourage?

Und ist ob der teils tragischen Beispiele für Zivilcourage im Alltag überhaupt zu empfehlen, für andere einzutreten? Wie steht zivilcouragiertes Handeln Notwehr und Nothilfe gegenüber? Erfahren Sie im Folgenden, wie sich Zivilcourage erklären lässt und welche Ratschläge die Polizei für die Bürger bereithält.

FAQ: Zivilcourage

Was genau bedeutet Zivilcourage?

Zivilcourage bedeutet grundsätzlich, dass sich Menschen aus freien Stücken für etwas einsetzen und sich solidarisch mit den schwächsten der Gesellschaft zeigen.

Welche Formen der Zivilcourage gibt es?

Es gibt drei Formen der Zivilcourage: sich für etwas einsetzen, sich zur Wehr setzen und eingreifen. Hier lesen Sie mehr zu den einzelnen Punkten.

Wie kann ich konkret Zivilcourage zeigen?

Wichtig ist, dass Sie sich nicht selbst in Gefahr bringen und wenn möglich Hilfe bei anderen Zeugen einfordern. Welche Ratschläge die Polizei bezüglich der Zivilcourage gibt, lesen Sie hier.

Inhaltsverzeichnis

Zivilcourage – Zur Geschichte des französischen Lehnwortes

Der Begriff der Zivilcourage ist verglichen mit anderen ein noch recht junges Wort aus dem Französischen, das ins Deutsche entlehnt, also übertragen wurde. Wörtlich übersetzt handelt es sich um den “Bürgermut”. Erstmals tauchte er als courage civile 1835 in Frankreich auf und bedeutete den Mut des Einzelnen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und dafür einzustehen. Es war eine Zeit des Umbruchs: Nach dem Ende der Französischen Revolution strebte das Großbürgertum nach immer mehr Macht. Der damalige König Louis-Philippe I. – auch “Bürgerkönig” (Roi Citoyen) genannt – füllte in der sogenannten Julimonarchie eine immer stärker nur auf Representation ausgerichtete Position aus.

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Die politische Macht geriet zunehmend in die Hände der in der Restaurationszeit eingesetzten Abgeordneten- und der Pariskammer. Das Volk regierte sich in vielen Belangen damit immer häufiger selbst. Courage civile war ein Ausdruck für das gestärkte Selbstbewusstsein eben jener französischer Bürger, die den Worten und Urteilen ihres Königs nicht mehr blind folgten, sondern für ihre eigenen Überzeugungen eintraten und das politische und soziale Leben selbst gestalteten.

In der Epoche der Dritten Französischen Republik (1870 bis 1940) – genauer im Jahre 1898 – wandelte sich der Ausspruch zu courage civique (staatsbürgerlicher Mut), der ebenfalls den Puls der Zeit widerspiegelte: Die Menschen waren nicht mehr Untertanen in einer Monarchie, sondern nun Bürger eines Staates, in dem das Volk sich überwiegend selbst regierte – in Form einer demokratisch gewählten Obrigkeit.

Die erste bekannte deutsche Entlehnung der Zivilcourage stammt aus dem Jahre 1864 und zwar von keinem geringeren als Otto von Bismarck, dem damaligen Ministerpräsidenten des Königreichs Preußen und späteren, ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches (1871 bis 1890).

Der Äußerung vorangegangen sein soll eine Begebenheit im Preußischen Landtag: Bismarck bemängelte dabei das fehlende Eintreten eines Verwandten, von dem er sich während einer Debatte im Stich gelassen fühlte. Nach Robert von Keudell, einem deutschen Diplomaten und engen Freund Bismarcks, sagte dieser im Nachhinein:

“Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut, aber Sie werden nicht selten finden, daß es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.” (Otto von Bismarck, 1964)

Er übernahm damit offensichtlich auch die Bedeutung des französischen Ausdrucks und beschrieb, dass zahlreiche Menschen nicht den nötigen Mut zu haben scheinen, für ihre politischen Überzeugungen – oder zumindest für die Bismarcks – vor anderen einzutreten; während Mut und Tapferkeit auf dem Schlachtfeld scheinbar jedem leicht von der Hand gingen.

Was heißt Zivilcourage heute?

Es zeigt sich aus der Geschichte des Begriffes schon, dass die Definition der Zivilcourage von Beginn an eng an die politische Meinungs- und Urteilsbildung der Bürger geknüpft war. Mit der Zeit jedoch weitete sich die Bedeutung. Zivilcourage umfasste zunehmend auch eine soziale Dimension: das Eintreten für gesellschaftliche sowie ethische Werte und Normen.

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Der “Bürgermut” bleibt dabei auch heute noch eng an soziale Strukturen gebunden, denn auch Wertvorstellungen sind einer Gesellschaft nicht von Natur aus eigen, sondern bilden sich mit der Zeit immer stärker heraus.

So finden sich in verschiedenen Gesellschafts­systemen auch bis heute unterschiedliche Normen, wenngleich die bekanntesten wohl die meisten Menschen weltweit bereits hinter sich vereinen, wie z. B.:

  • Menschenrechte
  • Menschenwürde
  • Gerechtigkeit

Aber auch eine auf das Individuum reduzierte Ebene legt der Gedanke der Zivilcourage offen: das Eintreten für eine Person, deren persönliche Integrität angegriffen oder verletzt wird – physisch oder psychisch.

Zivilcourage bedarf eines gewissen Grades an Öffentlichkeit. Bürgermut kann nur zeigen, wer dies auch tatsächlich vor anderen tut – ob innerhalb einer gemeinnützigen Organisation oder beim Eingreifen in eine körperliche Auseinandersetzung.

Keine Definition der Zivilcourage ohne Erörterung von “Mut”

Ob nun damals bei Bismarck oder aber bei einem älteren Menschen, der von einer Schar von Angreifern bedrängt wird: Ein besonders wichtiger Punkt bei der Betrachtung der Zivilcourage bedarf der Erörterung, nämlich die Bedeutung des Wortes “Mut”.

Für die Zivilcourage eine Erklärung zu entwickeln, ist unmöglich, wenn nicht zugleich auch die Courage selbst betrachtet wird. Schon in der hochmittelalterlichen Dichtung galt der hôhe muot (Edelmut) als eine der wichtigsten Tugenden eines idealen Rittertums und diente dem Bild des “edlen Ritters ohne Furcht und Tadel” (frz. chevalier sans peur et sans reproche, Ausdruck aus dem 15. Jahrhundert).

Aus dem Edelmut wurde aber bald schon der Hochmut, der bekanntlich vor dem Fall kommt.

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In der heutigen Zeit kennt die deutsche Sprache bereits zahllose Kombinationen, die sich der immer stärkeren Differenzierung verdanken – Wankelmut, Wagemut, Schwermut, Sanftmut, Anmut u. v. m. Der ihnen allen zugrunde liegende Kern – Mut als Charaktereigenschaft – fungiert noch heute in Form einer Tugend als rechte Mitte (um der aristotelischen Tugendlehre zu folgen), die zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig steht – als Ideal.

Als Synonym für das dem Indogermanischen entstammende Wort “Mut” wurde das französische Wort courage ebenfalls ins Deutsche entlehnt. Im gesellschaftlichen Bereich tritt die besondere Form der Zivilcourage neben den allgemeiner gefassten Begriff des Mutes.

Sowohl Courage als auch Mut spiegeln im Kern eine Charaktereigenschaft wider, die eine Person befähigen, trotz Widerständen und einer möglichen Eigengefährdung für ein anerkanntes Gut einzutreten. Sie ist sich dabei des möglichen Risikos bewusst. Ein Mensch mit Zivilcourage entschließt sich dazu, Normen und Werte zu verteidigen, obwohl dadurch auch für ihn selbst eine unangenehme oder gefahrvolle Situation daraus resultieren kann. Die Unterscheidung zwischen einfachem Mut und Zivilcourage ist damit vor allem die zugrundeliegende Motivation.

Durch eben diese Gefährdungslage hebt sich die Zivilcourage auch ab von den Begriffen der Hilfe, Tapferkeit oder der Solidarität. Zwar geht die Zivilcourage in aller Regel in der Tat auch zugleich mit der Hilfeleistung für eine Person einher. Dennoch kann nicht jede Form der Hilfe auch als Zivilcourage bezeichnet werden.

Tapferkeit bedarf es zwar mitunter, wenn die eigenen Überzeugungen gegenüber einem anderen verteidigt werden sollen, doch wer nur tapfer ist im Hinblick auf einen Wettkampf, einen Vergleich, einen Kampf o. a., zeigt nicht auch automatisch Zivilcourage. Und während Menschen mit Zivilcourage auch zumeist gleichsam solidarisch mit einer physisch oder psychisch attackierten Person. Aber: Nur weil jemand solidarisch gegenüber anderen ist – sich grundsätzlich mit ihnen verbunden fühlt – würde er nicht auch automatisch couragiert handeln.

Welche Formen der Zivilcourage können unterschieden werden?

Im Folgenden finden Sie einige grundsätzliche Formen der Zivilcourage, die gemeinhin unterschieden werden können (nach Gerd Meyer):

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  1. Sich für etwas einsetzen: Hierbei fehlt ein Handlungsdruck zumeist. Diese Form kommt vor allem dann zum Tragen, wenn Organisationen oder Personen – auch in der Politik – allgemeine Werte bedroht sehen und sich für deren Erhalt einsetzen (etwa beim Kampf gegen Radikalismus, Intoleranz u. a.).
  2. Sich zur Wehr setzen: Zugrunde zu legen ist hier ein Handlungsdruck durch eine explizite Bedrohung der persönlichen Integrität eines Menschen oder von Grundwerten (etwa bei Mobbing, körperlichen Angriffen, Missbrauch, ausgeübter Ungerechtigkeit u. a.). Auch Whistleblower können unter diesem Aspekt als zivilcouragiert gelten.
  3. Eingreifen: Der Handlungsdruck ist bei dieser Form der Zivilcourage besonders ausgeprägt. Es handelt sich dabei meist um eine Reaktion, die auf eine unvorhergesehene Situation und akute Bedrohungslage erfolgt, z. B. bei einem Angriff von einer Gruppe Jugendlicher auf einen Obdachlosen.

Der letzte Punkt ist vor allem auch in Bezug zur sogenannten Nothilfe zu setzen. Ein Mensch, der in einem solchen Moment Zivilcourage zeigt, tritt in aller Regel von Außen in die Situation ein, ist also nicht von vornherein selbst das Opfer eines tätlichen Angriffs. Er kommt dem eigentlichen Opfer stattdessen in der Not zu Hilfe und versucht, die Angreifer abzuwehren.

Bei den anderen beiden Formen ist eine Nothilfe nicht gegeben, da keine akute Gefährdungslage dem Handeln des zivilcouragierten Menschen zugrunde liegt.

Zivilcourage bedeutet Gefahr?

Nach diesen eingehenden Betrachtungen zeigt sich: Zivilcourage ist eng mit einer potentiellen Gefahr für den eintretenden Bürger verbunden. Dies zeigt sich auch im heutigen Alltag noch allzu häufig. Organisationen, die Zivilcourage im Kampf gegen radikale Gruppierungen zeigen und offen gegen diese auftreten, sind nicht selten Anfeindungen, Bedrohungen und materiellen oder physischen Schädigungen ausgesetzt.

Nur ein prominentes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: In Jamel, einem kleinen Dorf in Nordwestmecklenburg, setzt sich das Künstlerehepaar Lohmeyer bereits seit vielen Jahren für den Kampf gegen Rechtsextremismus ein, organisierte auf dem familieneigenen Hof regelmäßig Veranstaltungen, um auf die Problematik – die auch in ihrem eigenen Ort besteht – hinzuweisen und Mitstreiter zu gewinnen.

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Das Ehepaar musste dabei regelmäßig Anfeindungen, Beschimpfungen und Drohungen nicht nur aus der eigenen Gemeinde erdulden, bis schließlich im August 2015 ein Brandanschlag auf eine Scheune auf dem denkmalgeschützten Hofgelände vorsätzlich in Brand gesteckt wurde und vollständig ausbrannte.

Verletzt wurde niemand, aber die Bedrohungslage war eindeutig. Der oder die Täter konnten nicht ausgemacht werden.

Und trotz der Gefahr beschreitet das Ehepaar bis heute seinen Weg im Kampf gegen Rechts weiter. Nur selten zeigt sich so deutlich, dass Zivilcourage nicht nur mit einer vermeintlichen, sondern durchaus mit einer tatsächlichen Gefahrenlage verbunden ist.

In den letzten Jahrzehnten gab es allerdings viele traurige Höhepunkte, bei denen Menschen, die Zivilcourage gezeigt haben, sogar mit ihrem Leben bezahlten.

Gefährdung durch Zivilcourage – Tragische Beispiele der jüngeren Geschichte

  1. Dominik Brunner: Im September 2009 werden zwei Schüler an einem Münchner S-Bahnhof von zwei Jugendlichen bedroht und angegriffen, und auch in der S-Bahn selbst weiter verfolgt. Dominik Brunner bekam dies mit, alarmierte die Polizei und stieg mit den beiden Schülern am Bahnhof Solln aus – die Jugendlichen folgten. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen Brunner und den beiden Jugendlichen. Als Brunner zu Boden stürzte, traten und schlugen zunächst beide, dann noch einer der beiden weiter auf das Opfer ein. Brunner verstarb wenig später in einem Krankenhaus, nicht jedoch unmittelbar an den durch die körperliche Attacke zugefügten Verletzungen. Er erlitt einen Herzstillstand infolge eines vergößerten Herzens, das der körperlichen Belastung nicht mehr standhielt.
  2. Emeka Okoronkwo: Im Mai 2010 wurden zwei junge Frauen im Frankfurter Bahnhofsviertel von zwei aus Eritrea stammenden Männern massiv sexuell belästigt und zum Geschlechtverkehr aufgefordert. Weil die Frauen sich den Männern entziehen wollten, wurden diese ungehalten und aggressiv. Einer der Männer bespuckte die Frauen sogar. Emeka Okoronkwo, ein aus Nigeria stammender, seit 13 Jahren in Hessen lebender Restaurantfachmann, griff in die Situation ein, woraufhin es zu einem Handgemenge zwischen den drei Männern kam. Einer der Angreifer griff schließlich zu einem Messer und stach Okoronkwo in die Brust. Der 21-jährige Helfer verstarb wenige Stunden später im Krankenhaus aufgrund der zugefügten Herzkammerschäden. Der Täter wurde wegen Totschlags verurteilt.

ABER: Zum Glück hat das Zeigen von Zivilcourage nur selten solch tragische Konsequenzen. In der Mehrheit der Fälle genügt es, aufzustehen und zu zeigen, dass auch von anderer Seite Gegenwehr droht, um Gewalttäter dazu zu bewegen, von ihrem Opfer abzulassen. Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die Zivilcourage zeigen, haben dabei auch Erfolg, ohne selbst dafür das eigene Leben zu geben.

Zivilicourage zum Schutz der Gesellschaft

Viele Menschen wurden durch ihren Einsatz zur Verteidigung grundlegender Menschenrechte, moralischer Werte und durch das Eingreifen in gefährliche Situationen zu Helden der Geschichte und des Alltags.

Es gibt zahlreiche Beispiele für Zivilcourage, die zwar nicht frei von Bedrohung, Angst oder Gefahr sind, aber dennoch in der Welt viel bewegten und noch bewegen. Nicht alle Personen agieren dabei so öffentlich wie Malala Yousafzai, Edward Snowden oder Nelson Mandela.

Wichtig sind vor allem auch die Helden des Alltags, die sich nicht einschüchtern und einschränken lassen. Denn sie wollen vor allem die Welt besser machen, in der wir alle und sie selbst jeden Tag einander begegnen. Ohne Menschen mit Zivilcourage wären die Werte einer Gesellschaft schnell nicht nur bedroht, sondern bald auch schon vergessen und aufgelöst. Gesellschaften könnten schnell im Chaos versinken.

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Für das Zeigen von Zivilcourage können zahlreiche Argumente zum Für und Wider aufgeführt werden. Am Ende erscheinen die edelmütigen Motive und die Auswirkungen, die couragiertes Handeln haben kann, wesentlich gewichtiger.

Vielleicht ist der Wahlspruch der Musketiere – “Einer für alle und alle für einen!” – ein unerreichbares Ideal. Die Sehnsucht aber, in einer Welt zu leben, in der jeder für jeden einsteht und niemand mit Problemen und gefährlichen Situationen allein gelassen wird, eint den Großteil der Menschheit. Und jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen.

Wurden Sie Opfer von Gewalt oder wollen Sie weitere Informationen zum Thema Gewaltschutz, können Sie sich an länder- und bundesweit agierende Organisationen wenden. Diese könenn Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen:

Beispiele für Zivilcourage im Alltag

Es müssen nicht immer gleich die ganz großen Heldengeschichten sein. Zivilcourage im Alltag zu zeigen, macht die Welt auch schon besser. Dabei gibt es viele Situationen, in die Menschen von Zeit zu Zeit geraten, in denen Zivilcourage angebracht erscheint. Im Folgenden ein paar Beispiele:

Ein Kollege wird vom Chef ganz offen benachteiligt und unter Druck gesetzt. Sie können sich dann auch dem Chef gegenüber kritisch äußern und auch andere Kollegen mit ins Boot holen. Am Ende kann auch ihr Chef nicht alle seine Angestellten aufgrund dessen feuern. Je mehr Personen sich also für den Kollegen einsetzen, desto größer ist das Signal und desto leichter ist am Ende auch der Erfolg zu erzielen.

Ein Jugendlicher läuft nachts durch die Straße und tritt Spiegel von parkenden Autos ab oder zündelt an einigen Tankdeckeln herum. Sie können sich umdrehen und weitergehen oder aber den Jugendlichen und auch andere Passanten aufmerksam machen.

In einer Bahn wird eine Frau von einem Angetrunkenen bedrängt und belästigt. Sie können aufstehen und den Mann auf Sie aufmerksam machen, darauf hinweisen, dass Sie die Polizei verständigen werden und auch andere Fahrgäste zum Einschreiten auffordern.

Es zeigt sich ganz deutlich: Je mehr Leute aufstehen und für etwas einstehen oder jemanden verteidigen, desto schneller kann dies von Erfolg gekrönt sein. Doch einer muss immer den Anfang machen. Und genau da kommt die Zivilcourage ins Spiel.

Weggucken kann auch strafbar sein!

Zu häufig zeigt sich im Ernstfall jedoch: Die meisten Personen, die einschreiten könnten, ducken sich weg. “Irgendjemand wird schon was machen”, “Was geht mich das an?”, “Ich kann da eh nichts tun.” Den meisten schwirrten derlei Sätze schon einmal durch den Kopf. Und dann kam oft auch der erlösende Moment, in dem ein anderer sich der Sache annahm.

Doch: Was, wenn jeder so denken würde?

Ob nun bei einem Verkehrsunfall, einer versuchten Körperverletzung oder einer massiven Belästigung: Grundsätzlich hat jeder die Pflicht, anderen Menschen in einer Notsituation zu Hilfe zu kommen, wenn dies zumutbar und ohne erhebliche Eigengefährdung möglich ist. Unterbleibt eine solche Handlung, so kann eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung drohen.

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Das Unterlassen einer Handlung kann schlimmstenfalls nach strafrechtlichem Maßstab der Tathandlung selbst gleichgestellt werden. “Weggeschaut ist mitgemacht” – so auch der Titel eines umfangreichen Lehrvideoangebots, das die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes für die Auseinandersetzung mit Zivilcourage an Schulen zur Verfügung stellt.

Und auch das bloße Zusehen kann als Unterlassen gewertet werden. Wer das Ganze dann auch noch mit seinem Smartphone fotografisch oder in einem Video festhält – Stichwort: Gaffer – macht sich strafbar.

Im Übrigen: Jeder Helfer, der in einer Situation eingreift, bei Unfällen Erste Hilfe leistet, im Interesse der Allgemeinheit handelt, ist gesetzlich versichert (§ 2 Sozialgesetzbuch VII).

Aber: Grundsätzlich ist niemand gesetzlich dazu verpflichtet, sich in akute Lebensgefahr zu begeben, um einem anderen Menschen zu helfen. Spielen Sie im Zweifel also nicht den Helden!

Zivilcourage zeigen – Polizei gibt Ratschläge für den Ernstfall

Wie verhalten Sie sich nun aber in einer solchen Situation richtig? Nicht nur unter moralischen Gesichtspunkten. Die Polizei weiß um die Furcht der meisten Menschen, in aufgeladene Situationen einzugreifen und Zivilcourage zu zeigen.

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Um jedoch gegen die mangelnde Zivilcourage in Deutschland anzukämpfen, hat die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes die “Aktion tu was” ins Leben gerufen. Die Rechnung: Je mehr Leute Zivilcourage zeigen, desto stärker sinkt die Kriminalitätsrate.

Neben Angeboten für Schulen und Schülern gibt es auch umfangreiches Informations­material für jeden Bürger. Die Polizei gibt dabei auch Anweisungen und Hilfestellungen, wie Personen im Ernstfall richtig reagieren können – ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen:

  • Helfen ohne Eigengefährdung: Die Polizei rät grundsätzlich davon ab, den Helden spielen zu wollen. Schon ein lautes Wort kann die Täter in der Regel zum Ablassen von ihrem Opfer bewegen. Halten Sie jedoch stets ausreichend Abstand – besonders dann, wenn die Angreifer ihnen offensichtlich körperlich überlegen oder bewaffnet sind.

Die Polizei rät auch dazu, die Angreifer niemals zu Duzen. Das “Sie” hält die Täter auch psychisch auf Distanz und wirkt zudem nicht respektlos.

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  • Mithilfe einfordern: Die meisten Leute neigen dazu, sich wegzuducken. Doch Sie können andere Leute aktiv dazu auffordern, sich ebenfalls an der Auseinandersetzung zu beteiligen, aufzustehen und Gesicht zu zeigen. Die meisten Personen reagieren auf direkte Ansprache, da sie dann inmitten der Situation sind und ihnen die Entscheidung abgenommen wird, dahingehend eine Wahl treffen zu müssen. Je mehr Personen hinter ihnen und dem Opfer stehen, desto wahrscheinlicher ist, dass die Situation ohne weitere Auseinandersetzungen endet.
  • Genau beobachten: Prägen Sie sich einzelne Tätermerkmale ein. Sollten diese fliehen, kann Ihre detaillierte Zeugenaussage zum Aufgreifen und zur Verurteilung der Angreifer wesentlich beitragen.
  • Polizei rufen: Wählen Sie den Notruf 110 oder fordern Sie eine andere Person auf, dies zu tun. Sie können der Polizei zugleich auch mitteilen, ob es Verletzte gibt – sie wird sodann auch einen Krankenwagen an den Ort des Geschehens entsenden lassen. Sind die Täter bereits geflohen, können Sie genaue Tätermerkmale übermitteln, sodass eine umgehende Ringalarm­fahndung (Sofortfahndung) eingeleitet werden kann. Es ist dann möglich, dass die Polizei der Täter doch noch zeitnah habhaft wird.
  • Dem Opfer helfen: Kümmern Sie sich nach dem Angriff um das Opfer der Attacke. Leisten Sie Erste Hilfe, wirken Sie beruhigend auf dieses ein. Fordern Sie auch andere dazu auf, zu helfen.
  • Zeugenaussage: Bleiben Sie vor Ort, bis die Polizei eingetroffen ist und geben Sie Ihre Aussage zu dem Vorfall zu Protokoll. Dies erleichtert die Ermittlung der Beamten und die strafrechtliche Verfolgung der Tat. Die Polizei ist auf Augenzeugenberichte angewiesen, um den Tätern die Tat eindeutig nachweisen zu können, die Beamten selbst waren ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor Ort.

Ausführliche Informationen zur Zivilcourage und Tipps für Zeugen und Helfer erhalten Sie auch bei der von der Polizei ins Leben gerufenen InitiativeAKTION-TU-WAS“.

Wie viele Menschen in den betreffenden Situationen tatsächlich Zivilcourage zeigen? Eine Statistik hierüber ist unmöglich zu erstellen. Sicher ist, dass zwar die überwiegende Mehrheit Zivilcourage im Alltag wichtig und richtig findet, die wenigsten in einer solchen Situation aber tatsächlich auch danach handeln.

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Jana O.

Jana studierte Ger­manis­tik, Philosophie und Englischen Literatur­wissenschaften an der Universität Greifswald. Sie ist seit 2015 Mitglied des Redaktionsteams von koerperverletzung.com. Die leicht verständliche Darstellung komplexer strafrechtlicher Tatbestände sowie prozessrechtlicher Abläufe sind ihr ein besonderes Anliegen.

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