Wie Hollywoods Traummann Cary Grant in den Fünfzigern LSD lieben lernte (2024)

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"Einmal", sagte der wohl perfekteste Gentleman Hollywoods über die Erfahrung, die in den Fünfzigerjahren sein Leben änderte, "sah ich mich als gigantischen Penis, der von der Erde abhob wie ein Raumschiff." Reichlich freudianisch erläuterte der Beau mit dem linealgeraden Scheitel, von der "New York Times" als "Inbegriff der Eleganz" gefeiert: "Wissen Sie, wir klemmen alle unbewusst unseren Anus zu." Er habe diese Verklemmtheit abgeworfen - dank Drogen: "In einem LSD-Traum kackte ich erst auf einen Teppich und dann über den ganzen Boden."

So drastisch offen hatte man Cary Grant nie gehört, jenen schwiegermutterkompatiblen Charmeur, der sein Image jahrzehntelang so pedantisch zurechtgezupft hatte wie seine Maßanzüge: Stundenlang probte er, Manschettenknöpfe vor der Kamera möglichst elegant zu knöpfen, und schickte Schneidern Hemden zurück, wenn die Kragen Millimeter zu kurz waren. In gut 20 Ordnern führte er Buch über Cary-Grant-Artikel. Nichts überließ er dem Zufall und studierte noch die kleinste Bewegung akribisch ein, vom Krawattenknüpfen bis zum Zigarettenanzünden - um vor der Kamera stets locker, elegant und auch ein Quäntchen komisch zu wirken.

In Hollywood gab es Ende der Fünfzigerjahre kaum einen größeren männlichen Filmstar. In "Blonde Venus" war ihm Marlene Dietrich verfallen, "Über den Dächern von Nizza" sank ihm Grace Kelly in die Arme, in "Berüchtigt" gab er Ingrid Bergman einen der berühmtesten Küsse der Filmgeschichte. Frauen, hieß es, wollten Grant - Männer wollten sein wie er. "Jeder will Cary Grant sein", sagte er selbst, "sogar ich." Genau da lag das Problem, das ihn zum LSD brachte: Cary Grant war perfekt. Aber nicht real.

Aus Archie wurde Cary, der Playboy

Geboren worden war der kultivierte Star 1904 in einfache Verhältnisse. Nicht als Cary Grant, auch nicht als Amerikaner - sondern als Archibald Leach, Sohn eines Büglers, im englischen Bristol. Sein Vater war Trinker und seine Mutter plötzlich fort, als Archie neun war. Sie sei im Urlaub, sagte man ihm, doch sie kam nie heim. Erst als 1935 sein Vater starb, erfuhr er, dass der seine Frau in die Psychiatrie hatte einweisen lassen. Der Vater hatte parallel eine zweite Familie gegründet, deren Glück sie wohl im Wege stand.

Früh floh Archie Leach aus diesem Elend ins Rampenlicht. Mit 14 zog er aus, arbeitete als Bühnenarbeiter am Theater und schloss sich der "Bob Pender Stage Troupe" an. Bei den Akrobaten und Komikern lernte er tanzen, auf Stelzen zu gehen und Humor mit Bewegungen zu transportieren. Mit 16 ging er mit ihnen auf US-Tournee. Er blieb, feilte an Aussehen und Auftreten, trainierte sich den englischen Akzent ab und zog nach Hollywood.

Auf Wunsch der Paramount-Studios wurde Archibald Leach zu Cary Grant - ein Name von einer Liste der Werbeabteilung. 1932 gelang ihm an der Seite von Mae West in "Sie tat ihm unrecht" der Beginn einer großen Filmkarriere: Alfred Hitchco*ck besetzte ihn als Hauptdarsteller in Klassikern wie "Verdacht" (1941) oder "Der unsichtbare Dritte" (1959). In Komödien wie "Arsen und Spitzenhäubchen" (1944) kontrastierte Grant sein Aussehen mit Slapstick-Einlagen und Selbstironie - enorm erfolgreich: Das American Film Institute ernannte ihn zum zweitgrößten männlichen Star des klassischen Hollywoodkinos, hinter Humphrey Bogart.

Sein Leben wirkte glamourös: Auf der Leinwand gab Grant den reichen Playboy, privat machten seine Filme ihn zum Millionär. In Filmen spielte er neben Hollywoods größten Diven, privat stolperte er durch etliche Ehen und Affären mit Stars wie Sophia Loren oder Millionenerbin Barbara Hutton. Auch Liebschaften mit seinem Mitbewohner Randolph Scott oder Multimillionär Howard Hughes wurden ihm nachgesagt. "Ich gab vor, jemand zu sein, der ich sein wollte, und wurde schließlich diese Person", beschrieb es Grant, "oder er wurde ich. (...) Es ist eine Beziehung." Glücklich machte sie ihn nicht.

High auf dem Fahrrad

Grant litt an Verlustängsten und Depressionen, lange hatte er mit Schuldgefühlen für das Verschwinden seiner Mutter gekämpft. Nun zog er sich zurück und versuchte, sein Privatleben geheim zu halten, mit Yoga und Selbsthypnose zu sich zu finden - beides vergeblich.

Zu den Drogen brachte ihn das Leid seiner 19 Jahre jüngeren Ehefrau: Betsy Drake hatte ihre eigene Filmkarriere für Grant geopfert. Sie litt darunter, dass er um Sophia Loren buhlte und sogar beim Dreh zu "Stolz und Leidenschaft" (1957) um deren Hand angehalten hatte. Drake war am Boden zerstört. Bis eine Freundin ihr die neue LSD-Therapie empfahl.

Die Droge war unter manchen Prominenten in Beverly Hills bereits beliebt, sonst noch fast unbekannt - und legal. 1938 hatte der Schweizer Albert Hofmann vom Pharmaunternehmen Sandoz sie auf der Suche nach einem Kreislaufmedikament entdeckt und als ungeeignet verworfen. Am 19. April 1943 staunte er bei erneuter Einnahme über "bunte Fantasiegestalten und umherfliegende Möbel". Dann fuhr er schlingernd mit dem Fahrrad heim - weshalb LSD-Anhänger das Datum jährlich als "Fahrradtag" feiern.

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Ab den Fünfzigerjahren erprobten die US-Army und die CIA das Halluzinogen als Wahrheitsdroge oder C-Waffe. "Morgen nehme ich LSD", erzählte Drake beim Abendessen Grant und Freunden. Die Männer, so Drake, hätten sie nur verständnislos angesehen: "Sie hatten keine Ahnung, wovon ich sprach."

Der Radiologe Mortimer Hartman und der Psychiater Arthur Chandler hatten kurz zuvor das "Psychiatric Institute of Beverly Hills" eröffnet. Um die Droge zur Unterstützung der Psychoanalyse zu erproben, versorgte Sandoz sie mit einem Fünfjahresvorrat. Der geniale Kniff: Während Universitäten Versuchspersonen in LSD-Studien bezahlten, verdienten Hartman und Chandler noch an den Prominenten, die in ihrer beruhigend beige eingerichteten Praxis einkehrten - 100 Dollar pro Drogensitzung.

"Eine Welt aus pummeligen Babybeinen"

Woche für Woche legte Drake sich dort auf die Couch, zog eine Augenbinde über und schluckte eine LSD-Pille. Einmal erlebte sie ihre eigene Geburt wieder - vom stundenlangen Gefühl, erdrückt zu werden, erlöste man sie mit Beruhigungsmitteln. Ein anderes Mal sah sie das Unbewusste als "gewaltigen Ozean" ohne "Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft", wie sie 2010 "Vanity Fair" erzählte. Drake war begeistert. Die Therapie gab ihr die Kraft, sich von Grant zu trennen.

Dem war das nicht geheuer. Also ging er selbst in Behandlung - und nannte schon bald Dr. Hartman huldvoll "mein weiser Mahatma". "Als ich mit LSD anfing", erinnerte sich Grant später in "Vanity Fair", "fing ich an, mich auf der Couch zu drehen und zu drehen." Wann das aufhöre, habe er gefragt. Worauf der Arzt sagte: "Wenn Sie damit aufhören." Das sei eine "Offenbarung" für ihn gewesen, "völlige Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen".

Flying Over Sunset - Musical zu Cary Grants Drogentrips

Cary Grants Drogenerfahrungen wurden sogar als Musical umgesetzt: Im Broadway-Musical "Flying Over Sunset", dessen für den März 2020 geplanter Start aufgrund der Coronakrise verschoben wurde, nehmen Cary Grant, der Schriftsteller Aldous Huxley und die Autorin und Politikerin Clare Boothe Luce gemeinsam LSD. Gesungen werden im Musical Passagen, die im Drogenrausch stattfinden - und es wird viel gesungen.

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Rund hundert solcher Sitzungen besuchte Grant von 1958 bis 1961. Auch er erlebte seine Geburt, staunte über "all das Blut und den Urin" und fand sich in einer "Welt aus gesunden, pummeligen kleinen Babybeinen und Windeln". Er "durchreiste sich wandelnde Meere aus entsetzlichen und glücklichen Bildern, (...) ein Mosaik aus Eindrücken der Vergangenheit" und fand so endlich zum Ziel - der Versöhnung mit seiner Kindheit: "Ich musste meinen Eltern vergeben für das, was sie nicht wussten, und sie für das lieben, was sie mir weitergegeben hatten."

Grant, lange auf sein makelloses Image bedacht, wurde zum LSD-Botschafter. "Endlich bin ich dem Glücklichsein nah", sagte er 1959 dem "Look Magazine" - und klagte: "Oh die verschwendeten Jahre, warum habe ich das nicht früher gemacht?" Er sei sich "sicher, dass die Droge eine heilsame Wirkung hat". Das biedere US-Magazin "Good Housekeeping" mutmaßte 1960 sogar, das LSD sei ein Geheimnis der "zweiten Jugend" des mit Mitte 50 noch jungenhaft wirkenden Grant.

"Nur ein Haufen Moleküle"

Der Boom der Droge endete jedoch abrupt: Berichte von Suiziden und Erblindungen unter LSD-Einfluss gingen um, und in Harvard startete Psychiater Timothy Leary LSD-Experimente ohne ärztliche Betreuung - als Mittel zur geistigen Befreiung des Volkes. 1962 beschlagnahmte die Food and Drug Administration die Vorräte von Praxen wie der von Hartman und Chandler, wenig später wurde LSD-Besitz in den USA illegal.

Doch die Drogensitzungen hinterließen Spuren in Grants Leben: "Ich bin mein ganzes Leben im Nebel umhergewandert", sagte er, "du bist nur ein Haufen Moleküle, ehe du weißt, wer du bist." Er sammelte nicht länger Artikel über sich, heiratete wieder, wurde mit 62 erstmals Vater. Und beendete 1966 seine Filmkarriere. Cary Grant, so schien es, hatte aufgehört, eine Rolle zu spielen.

Zeitlebens sollte er sich positiv an seine 100 Drogentrips erinnern. Zwar distanzierte er sich von der LSD-Begeisterung der Hippies: "Ein Schuss Brandy kann dein Leben retten, eine Flasche kann dich töten. Und das ist, was passierte, als viele junge Menschen anfingen, LSD zu nehmen." Er selbst würde die Droge im Traum nicht mehr anrühren, "ich brauche sie nicht mehr", sagte er der "New York Times" 1973.

Und doch: Als Cary Grant am 29. November 1986 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, hinterließ er in seinem Testament 10.000 Dollar für Dr. Hartman - seinen "weisen Mahatma".

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