EuGH, Urteil v. 12.02.2009 - C-515/07 (2024)

EuGHUrteil v. - C-515/07

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung vonArt. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs.2 und6 derSechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierungder Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtigeBemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Richtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits derVereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie (im Folgenden: VNLTO)gegen den Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär derFinanzen) wegen Nacherhebung von Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 2 der Richtlinie sieht vor:

"Der Mehrwertsteuerunterliegen:

1. Lieferungen vonGegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcherim Inland gegen Entgelt ausführt;

..."

4 Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie lautet:

"Dienstleistungen gegen Entgeltwerden gleichgestellt:

a) die Verwendung eines demUnternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf desSteuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein fürunternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisenAbzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;

b) die unentgeltliche Erbringungvon Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privatenBedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein fürunternehmensfremde Zwecke.

Die Mitgliedstaaten könnenAbweichungen von diesem Absatz vorsehen, sofern solche Abweichungen nicht zuWettbewerbsverzerrungen führen."

5 Art. 17 Abs. 2 und 6 der Richtlinie lautet:

"(2) Soweit die Gegenständeund Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendetwerden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuerfolgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oderentrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, dieihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werdenbzw. erbracht wurden oder erbracht werden;

...

(6) Der Rat legt auf Vorschlag derKommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttretendieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuernicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vomVorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichenCharakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen undRepräsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten dervorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alleAusschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt desInkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichenRechtsvorschriften vorgesehen sind."

Nationales Recht

6Art. 2 des Gesetzes von 1968 über dieUmsatzsteuer (Wet op de omzetbelasting 1968, im Folgenden:Umsatzsteuergesetz) bestimmt:

"Von der Steuer, die für dieLieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungengeschuldet wird, wird die Steuer auf die Lieferung von Gegenständen unddie Erbringung von Dienstleistungen an den Unternehmer, auf den von ihmdurchgeführten innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen undauf die Einfuhr von für ihn bestimmten Waren abgezogen."

7 Art. 15 dieses Gesetzes bestimmt:

"1. Die vom Unternehmer nach Art.2 abzuziehende Steuer ist

a) die Steuer, die ihm imVeranlagungszeitraum andere Unternehmer in einer vorschriftsgemäßerstellten Rechnung für ihm gelieferte Gegenstände oder ihm erbrachteDienstleistungen in Rechnung gestellt haben;

...

soweit der Unternehmer dieGegenstände und Dienstleistungen im Rahmen seines Unternehmensverwendet.

...

(4) Der Abzug der Steuer erfolgtentsprechend der Bestimmung der Gegenstände und Dienstleistungen zu demZeitpunkt, zu dem die Steuer dem Unternehmer in Rechnung gestellt wird, oder zudem Zeitpunkt, zu dem sie geschuldet wird. Wenn sich zu dem Zeitpunkt, zu demder Unternehmer die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet,herausstellt, dass er die diesbezügliche Steuer zu einemgrößeren oder kleineren Teil abgezogen hat, als er aufgrund derVerwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen berechtigt war, schuldeter die von ihm zu viel abgezogene Steuer von diesem Zeitpunkt an. Diegeschuldete Steuer wird nach Artikel 14 [des Umsatzsteuergesetzes von 1968]entrichtet.

Die von ihm zu wenig abgezogeneSteuer wird ihm auf Antrag erstattet.

..."

Ausgangsverfahren undVorlagefragen

8 Die VNLTO fördert die Interessen des Agrarsektors inden Provinzen Groningen, Friesland, Drenthe und Flevoland. Ihre Mitglieder - imAgrarsektor tätige Unternehmen - zahlen an sie Beiträge, von denender größte Teil für die Tätigkeiten im Zusammenhang mitder Wahrnehmung ihrer Interessen bestimmt ist.

9 Neben der Wahrnehmung dieser Interessen erbringt die VNLTOihren Mitgliedern eine Reihe individueller Dienstleistungen, für die sieeine gesonderte Vergütung berechnet. Diese Dienstleistungen werden auchDritten angeboten. Die Gewinne aus dieser Geschäftstätigkeit werdenfür die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitgliederverwendet.

10 Im Jahr 2000 erwarb die VNLTO Gegenstände und nahmDienstleistungen in Anspruch, die sowohl für ihremehrwertsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten als auch fürdie anderen, damit nicht zusammenhängenden Tätigkeiten verwendetwurden. Sie machte für diese Gegenstände und Dienstleistungen, diesie auch für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung derallgemeinen Interessen ihrer Mitglieder verwendete, den vollständigenVorsteuerabzug geltend.

11 Für das Steuerjahr 2000 brachte die VNLTO die Vorsteuerin Bezug auf die besteuerten Dienstleistungen in Abzug. Ferner brachte sieeinen Teil der Vorsteuer in Bezug auf die Tätigkeiten im Zusammenhang mitder Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder der VNLTO in Abzug.Am beantragte die VNLTO die Erstattung eines zusätzlichenMehrwertsteuerbetrags in Bezug auf diese Tätigkeiten. Damit machte dieVNLTO einen Anspruch auf Abzug der Vorsteuer in Höhe von 79 % fürsämtliche von ihr bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen geltend.Mit Bescheid vom lehnte der Belastinginspecteur [Leiter desFinanzamts] die beantragte Erstattung ab.

12 Am setzte der Belastinginspecteur gegendie VNLTO einen Nacherhebungsbescheid für das fragliche Steuerjahr fest,in dem er die Vorsteuer auf die Tätigkeiten im Zusammenhang mit derWahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder der VNLTO in demVerhältnis anrechnete, in dem diese Tätigkeiten zu Einkünftender Vereinigung geführt hatten. Dies ergab einen Abzug in Höhe von 49% für sämtliche von der VNLTO bezogenen Gegenstände undDienstleistungen.

13 Mit Schreiben vom legte die VNLTO gegendiesen Nacherhebungsbescheid Einspruch ein. Mit Entscheidung vom hielt der Belastinginspecteur den Bescheid aufrecht.

14 Die VNLTO erhob hiergegen Klage beim Gerechtshof Leeuwarden.Am wies das Gericht diese Klage ab. Es führte aus, dass dieWahrnehmung der allgemeinen Interessen keine unmittelbare, dauerhafte undnotwendige Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der VNLTOdarstelle. Die VNLTO könne daher die ihr in Rechnung gestellteMehrwertsteuer nicht abziehen, soweit sie die Gegenstände undDienstleistungen im Rahmen der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen ihrerMitglieder bezogen habe.

15 Am legte die VNLTO gegen die Entscheidung desGerechtshof Leeuwarden Kassationsbeschwerde ein.

16 Der Hoge Raad der Nederlanden, der auf diese Weise mit demRechtsstreit befasst worden ist, hat erklärt, dass es im Ausgangsverfahrenum den Abzug der Mehrwertsteuer gehe, die bei den Ausgaben für den Bezugder Gegenstände und Dienstleistungen verbucht worden sei, die sowohlfür die mehrwertsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten alsauch für damit nicht zusammenhängende andere Umsätze verwendetworden seien.

17 Das vorlegende Gericht wirft daher die Frage auf, ob dieVNLTO ihrem Unternehmen Gegenstände, die keine Investitionsgüterseien, und Dienstleistungen zuordnen kann, so dass sie die gesamte bei derenBezug entrichtete Mehrwertsteuer sofort abziehen kann, auch wenn dieseGegenstände und Dienstleistungen teilweise im Rahmen von Tätigkeitenverwendet worden sind, die in keinem Zusammenhang mit den gemäß Art.2 der Richtlinie besteuerten Leistungen stehen.

18 Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad derNederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgendeFragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Art. 6 Abs. 2 und Art.17 Abs. 1, 2 und 6 der Sechsten Richtlinie so auszulegen, dass einSteuerpflichtiger nicht nur Investitionsgüter, sondern alleGegenstände und Dienstleistungen, die sowohl für Zwecke desUnternehmens als auch für unternehmensfremde Zwecke verwendet werden,insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die beim Erwerb dieserGegenstände und der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen in Rechnunggestellte Mehrwertsteuer sofort und vollständig abziehen kann?

2. Wenn Frage 1 bejaht wird:Führt die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie in Bezug aufDienstleistungen und Gegenstände, die keine Investitionsgüter sind,dazu, dass die Mehrwertsteuer einmalig in dem Veranlagungszeitraum, in dem derAbzug für diese Dienstleistungen und Gegenstände gewährt wird,erhoben wird, oder muss auch in den darauffolgenden Zeiträumen eineErhebung stattfinden? Soweit Letzteres zutrifft: Wie ist dann für dieGegenstände und Dienstleistungen, für die der Steuerpflichtige keineAbschreibungen vornimmt, die Besteuerungsgrundlage zu bestimmen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Beim Gerichtshof eingereichteErklärungen

19 Die niederländische Regierung macht geltend, einSteuerpflichtiger könne beim Bezug von Investitionsgütern oderanderen Gegenständen und Dienstleistungen die in Rechnung gestellteMehrwertsteuer nicht abziehen, soweit diese Gegenstände und dieseDienstleistungen für die Zwecke von Umsätzen verwendet würden,die dieser Steuer nicht unterlägen. Dies sei der Fall, wenn diebetreffenden Tätigkeiten in der Wahrnehmung allgemeiner Interessenbestünden.

20 Die VNLTO solle nach ihrer Satzung die Interessen desAgrarsektors in mehreren Provinzen der Niederlande und die Interessen der indiesem Sektor tätigen Unternehmer fördern. Sie sei zu diesem Zweckder Land- en Tuinbouw Organisatie Nederland angeschlossen und bemühe sichüber diese Organisation um die Wahrnehmung der Interessen der Landwirteauf Gemeinde-, Provinzial-, nationaler und internationaler Ebene. Die VNLTOschaffe Anreize für eine Politik zur Entwicklung der Landwirtschaft in denBereichen Forschung, Aufklärung und Ausbildung.

21 Im Rahmen der Erörterungen vor dem Gerichtshof hat dieniederländische Regierung klargestellt, dass für die Beantwortung derersten Frage nicht zwischen einer natürlichen und einer juristischenPerson zu unterscheiden sei. Im Ausgangsverfahren wolle die VNLTO allerdingseinen Abzug der Mehrwertsteuer in Bezug auf ihre nichtwirtschaftlichenTätigkeiten, konkret den Tätigkeiten im Zusammenhang mit derWahrnehmung der allgemeinen Interessen ihrer Mitglieder, erreichen.

22 Die deutsche Regierung ist der Ansicht, dass einSteuerpflichtiger nicht nur die Investitionsgüter, sondern alleGegenstände, die sowohl für Zwecke des Unternehmens als auch fürunternehmensfremde Zwecke verwendet würden, insgesamt seinem Unternehmenzuweisen könne. Für Dienstleistungen gelte dies nur, soweit sie imRahmen der Verwendung eines Gegenstands bezogen würden, der demUnternehmen vollumfänglich zugeordnet sei. Im Rahmen der Besteuerung derVerwendung solcher Gegenstände oder Dienstleistungen fürunternehmensfremde Zwecke sei es Sache der Mitgliedstaaten, dieBesteuerungszeiträume im Einzelnen festzulegen.

23 Die portugiesische Regierung macht geltend, dass einejuristische Person die Vorsteuer auf Investitionsgüter oder andereGegenstände oder Dienstleistungen, die ausschließlich für ihreeigenen Zwecke verwendet würden, nicht vollständig abziehenkönne, wenn diese Gegenstände zum Zeitpunkt ihres Erwerbs sowohlfür mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeiten als auch für dieErzielung von nicht steuerbaren Umsätzen bestimmt seien.

24 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs darf einSteuerpflichtiger andere Gegenstände und Dienstleistungen alsInvestitionsgüter und Dienstleistungen zur Schaffung neuerInvestitionsgüter, die gemischt, d. h. für Unternehmenszwecke undfür private oder unternehmensfremde Zwecke verwendet würden, seinemUnternehmen nicht vollständig zuordnen.

25 Die Kommission macht geltend, dass ein Steuerpflichtiger nurberechtigt sei, Investitionsgüter und ausnahmsweise Dienstleistungen mitMerkmalen, vergleichbar denen von Investitionsgütern, die sowohl fürUnternehmenszwecke als auch für unternehmensfremde Zwecke verwendetwürden, seinem Unternehmen zuzuordnen und die Vorsteuer hierfürsofort und vollständig abzuziehen.

Antwort des Gerichtshofs

26 Bei seiner ersten Frage geht es dem vorlegenden Gericht umdie Bestimmung des Umfangs des in Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 2 derRichtlinie vorgesehenen Vorsteuerabzugsrechts in einem Fall, in dem derSteuerpflichtige Gegenstände und Dienstleistungen, für deren Bezug erdie geschuldete Mehrwertsteuer entrichtet hat, sowohl für die Zweckeseines Unternehmens als auch für "unternehmensfremde Zwecke", wie es inder Vorlagefrage heißt, d. h. im vorliegenden Fall für die Zweckeanderer als der besteuerten Umsätze, verwendet hat.

27 Vorab sei daran erinnert, dass der Unternehmer durch die inder Richtlinie vorgesehene Regelung über den Vorsteuerabzugvollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeitgeschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll. Dasgemeinsame Mehrwertsteuersystem sucht daher, völlige Neutralitäthinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeitenzu gewährleisten, und zwar unabhängig von ihrem Zweck und ihremErgebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen(vgl. Urteil vom , Abbey National, C-408/98, Slg. 2001, I-1361,Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28 Soweit daher die von einem Steuerpflichtigen bezogenenGegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiterUmsätze oder solcher Umsätze verwendet werden, die nicht vomAnwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es somit weder zurErhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen(vgl. Urteile vom , Uudenkaupungin kaupunki, C-184/04, Slg.2006, I-3039, Randnr. 24, und vom , Wollny, C-72/05, Slg.2006, I-8297, Randnr. 20).

29 Für eine angemessene Beantwortung der erstenVorlagefrage ist von den vom nationalen Gericht in der Vorlageentscheidungbeschriebenen tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen.

30 Aus der Sachverhaltsdarstellung des Hoge Raad derNederlanden geht hervor, dass die VNLTO nicht nur besteuerte Tätigkeiten,sondern auch nicht besteuerte Tätigkeiten, nämlich im Zusammenhangmit der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen ihrer Mitglieder,ausgeführt. Das vorlegende Gericht hat auch angegeben, ausgeführt,dass die VNLTO den Bezug von Gegenständen und Dienstleistungen bei denallgemeinen Kosten verbucht hat, ohne diese Vorgänge ausschließlichihren nachgeschalteten bestehenden Tätigkeiten zuzuordnen.

31 In Anbetracht der tatsächlichen Umstände und desAntrags der VNLTO auf Gewährung des Abzugs der Mehrwertsteuer, die dieseVereinigung für den Bezug von Gegenständen und Dienstleistungenentrichtet hat, die sowohl für besteuerte Tätigkeiten als auchfür andere, damit nicht zusammenhängende Tätigkeiten, d. h.für solche im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der allgemeinen Interessenihrer Mitglieder, verwendet worden sind, wirft das vorlegende Gericht die Frageauf, ob die letztgenannten Tätigkeiten als solche "fürunternehmensfremde Zwecke" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie,also als Tätigkeiten betrachtet werden können, die anderen Zweckendienen als die Tätigkeiten der Vereinigung im wirtschaftlichenBereich.

32 Das vorlegende Gericht erwähnt im Rahmen seinerErwägungen insbesondere das Urteil vom , Charles undCharles-Tijmens (C-434/03, Slg. 2005, I-7037), namentlich die Randnrn. 23 bis25 dieses Urteils, in denen der Gerichtshof die ständige Rechtsprechungzur Mehrwertsteuerregelung für Investitionsgüter bei gemischterVerwendung, d. h. sowohl zu unternehmerischen als auch zu privaten Zwecken, insGedächtnis gerufen hat. Daraus geht hervor, dass der Steuerpflichtige imHinblick auf die Mehrwertsteuer die Wahl hat, einen Gegenstand in vollem Umfangdem Unternehmensvermögen zuzuordnen oder ihn in vollem Umfang in seinemPrivatvermögen zu belassen, wodurch der Gegenstand demMehrwertsteuersystem vollständig entzogen wird, oder ihn nur im Umfang dertatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmeneinzubeziehen. Entscheidet sich der Steuerpflichtige dafür, dassInvestitionsgüter, die sowohl für unternehmerische als auch fürprivate Zwecke verwendet werden, als Gegenstände des Unternehmensbehandelt werden, so ist die beim Erwerb dieser Gegenstände geschuldeteVorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar. Unterdiesen Umständen ist die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordnetenGegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für denBedarf seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke nach Art. 6Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie einer Dienstleistung gegen Entgeltgleichgestellt, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug derentrichteten Mehrwertsteuer berechtigt hat.

33 Der Hoge Raad der Nederlanden ist der Ansicht, dass dieseGrundsätze auch auf "eine juristische Person ..., die alsSteuerpflichtiger auch Tätigkeiten ausübt, die nicht in denAnwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen", Anwendung finden können, sodass Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie auf diese Person angewandt werdenkönnte.

34 Es steht außer Frage, dass Tätigkeiten wie dieWahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigungkeine "der Mehrwertsteuer unterliegende" Tätigkeiten im Sinne von Art. 2Nr. 1 der Richtlinie sind, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung vonGegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen (vgl. in diesemSinne Urteil vom , Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 undC-484/03, Slg. 2006, I-483, Randnr. 42 und die dort angeführteRechtsprechung).

35 Zur Frage, ob solche Tätigkeiten als Tätigkeitenbetrachtet werden können, die für "unternehmensfremde Zwecke" imSinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ausgeführt werden, ist zubemerken, dass der Gerichtshof in der Rechtssache, die dem Urteil vom 13.März 2008, Securenta (C-437/06, Slg. 2008, I-1597), das nach Eingang desvorliegenden Vorabentscheidungsersuchens verkündet wurde, zugrunde lag, u.a. damit befasst war, wie die Vorsteuerabzugsberechtigung bei einemSteuerpflichtigen zu bestimmen ist, der zugleich einer wirtschaftlichen undeiner nichtwirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.

36 Hierzu hat der Gerichtshof in Randnr. 26 des erwähntenUrteils ausgeführt, dass die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nichtin den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. In Randnr. 28 dieses Urteilshat er klargestellt, dass die mit der Richtlinie geschaffene Regelung überden Vorsteuerabzug alle wirtschaftlichen Tätigkeiten einesSteuerpflichtigen unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis betrifft,sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen.

37 Der Gerichtshof ist daher in den Randnrn. 30 und 31 deserwähnten Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorsteuer aufAufwendungen eines Steuerpflichtigen nicht zum Abzug berechtigen kann, soweitsie sich auf Tätigkeiten bezieht, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichenCharakters nicht in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fallen;für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger zugleich steuerpflichtigen odersteuerfreien wirtschaftlichen Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen, nichtin den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Tätigkeiten nachgeht,ist der Abzug der Vorsteuer auf Aufwendungen auf der Vorstufe nur insoweitzulässig, als diese Aufwendungen den wirtschaftlichen Tätigkeiten desSteuerpflichtigen zuzurechnen sind.

38 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass mitArt. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seinerSchlussanträge ausgeführt hat, keine allgemeine Regel eingeführtwerden sollte, nach der Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereichder Mehrwertsteuer fallen, als Tätigkeiten betrachtet werden können,die für "unternehmensfremde" Zwecke im Sinne dieser Vorschriftausgeführt werden. Eine solche Auslegung würde nämlich Art. 2Abs. 1 der Richtlinie jeden Sinn nehmen.

39 Im Unterschied zu der Rechtssache Charles undCharles-Tijmens, die sich auf eine Immobilie bezog, die demBetriebsvermögen zugeordnet war, bevor sie teilweise einer privatenNutzung zugeführt wurde, die begriffsmäßig ein dem Unternehmendes Steuerpflichtigen völlig fremder Zweck ist, geht es im vorliegendenFall um die nicht besteuerten Umsätze der VNLTO, die in der Wahrnehmungder allgemeinen Interessen ihrer Mitglieder bestehen und nicht alsunternehmensfremd betrachtet werden können, da sie den Hauptzweck dieserVereinigung darstellen.

40 Deshalb ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6Abs. 2 Buchst. a und Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dasssie auf die Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen nichtanwendbar sind, die dem Unternehmen für die Zwecke anderer als derbesteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen zugeordnet sind, so dass dieMehrwertsteuer, die aufgrund des Bezugs dieser für solche Umsätzeverwendeten Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet wird, nichtabziehbar ist.

Zur zweiten Frage

41 Angesichts der Antwort auf die erste Vorlagefrage ist diezweite Frage nicht zu beantworten.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist dasVerfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigenRechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. DieAuslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor demGerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

EuGH, Urteil v. 12.02.2009 - C-515/07 (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Fredrick Kertzmann

Last Updated:

Views: 6447

Rating: 4.6 / 5 (66 voted)

Reviews: 81% of readers found this page helpful

Author information

Name: Fredrick Kertzmann

Birthday: 2000-04-29

Address: Apt. 203 613 Huels Gateway, Ralphtown, LA 40204

Phone: +2135150832870

Job: Regional Design Producer

Hobby: Nordic skating, Lacemaking, Mountain biking, Rowing, Gardening, Water sports, role-playing games

Introduction: My name is Fredrick Kertzmann, I am a gleaming, encouraging, inexpensive, thankful, tender, quaint, precious person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.