Ein Kampfflugzeug als Dienstleistungsmittel? Klingt ungewöhnlich, doch in der Schweiz fliegen die letzten Northrop F-5 Tiger genau in dieser Rolle. "Die aktuellen Aufgaben liegen darin, dass wir die Einsitzer und auch die Doppelsitzer bei uns in der Luftwaffe nur noch als unbewaffnetes Service-Flugzeug einsetzen", erklärt Oberstleutnant Nils Hämmerli, Flottenchef der F-5 Tiger und Kommandant der Patrouille Suisse, beim Besuch der FLUG REVUE auf dem Militärflugplatz Emmen bei Luzern.
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Ungewöhnliche Aufgaben für einen alten Jet
Der Schwerpunkt liegt hier auf der Feinddarstellung für die Ausbildung und das Training der F/A-18-Piloten der Schweizer Luftwaffe. Daher besitzt das Muster keine Bewaffnung mehr; aus Kostengründen sind die 20-mm-Kanonen im Bug stillgelegt – ein Ausbau wäre aufgrund der Verschiebung des Schwerpunkts zu aufwendig. Bei den Übungen decken die Jets das gesamte Spektrum von Entfernungsluftkämpfen jenseits der Sichtgrenze bis hin zu klassischen Dogfights ab. "Weil wir ein schlechtes Bordradar besitzen, haben wir meistens noch eine Rotte von F/A-18 dabei und bilden so mit zwei oder vier Tiger zusammen den Red-Air-Verband. Je nach Ausbildungsstand der Hornet-Piloten ist das Szenario entsprechend angepasst. Egal ob kompliziertere oder einfachere Missionen, wir liefern diesen Service den F/A-18-Staffeln."
Alter Jet – bringt junge Piloten trotzdem ins Schwitzen
Trotz seines Alters scheint der Tiger bei den Manövern nicht komplett chancenlos. "Die Leistungsfähigkeit als entwaffneter Jäger ist immer noch beachtlich; mit einer Geschwindigkeit von Mach 1.6, einer guten Steigrate und dem Nachbrenner ist er ein sehr valabler und guter Zieldarsteller für uns." Natürlich kann die F-5 bei Avionik, Bewaffnung und Leistungsfähigkeit nicht mit der moderneren Hornet mithalten – das Radar ist in seiner Reichweite beschränkt, die Waffensimulation geht nur für die Infrarot-Lenkwaffe. "Aber man kann einen jungen F/A-18-Piloten auch ins Schwitzen bringen, wenn man gut manövriert und er nicht alle seine Waffen einsetzen kann. Gerade im Sichtflugkampf gegen die Lenkwaffe AIM-9X der F/A-18 wird es schwierig für uns. Aber Kanone gegen Kanone sieht es anders aus", sagt Hämmerli.
Schießübungen und Radioaktivität aufspüren
Einen weiteren Beitrag zur Ausbildung der Hornet-Besatzungen leistet der Tiger als Zielschlepper mit einem speziellen Behälter unter dem Rumpf für Luft-Luft-Schießübungen. Dazu verlegen einige Maschinen vier bis maximal fünf Wochen pro Jahr nach Meiringen, um von dort aus Einsätze über dem Gletschergebiet am Dammastock zu absolvieren. Dort ziehen die Piloten ihre Kreise, damit die F/A-18 ihre Kanonen auf den Schleppsack abfeuern können, der an einem rund 500 Meter langen Stahlseil hinter dem Tiger hergezogen wird.
Außerdem finden in der Regel zwei Mal pro Jahr Flüge zur Messung der Radioaktivität im Auftrag des Schweizer Bundesamts für Gesundheit statt. Dazu dienen zwei von der RUAG entwickelte Behälter, die mittels Höhenluftfiltern entsprechende Proben nehmen können. Meist einmal im Monat erfolgen zudem Kalibrierungsflüge für die Radaranlagen der Schweizer Luftraumüberwachung. Nicht zuletzt gibt es noch die Rolle, die den Tiger vielerorts am bekanntesten gemacht hat: Jet-Verbandskunstflug bei der Patrouille Suisse.
VBS
Die Patrouille Suisse als Aushängeschild der Schweizer Luftwaffe ist der wichtigste Nutzer der F-5E/F.
Mehr als 100 Exemplare in der Schweiz gebaut
Aktuell sieht das Militär für die Tiger-Flotte eine jährliche Flugstundenzahl von rund 1600 vor. Davon entfallen im Schnitt fast 1000 Stunden auf die Red-Air-Einsätze und etwa 350 auf die Patrouille Suisse. Der Rest verteilt sich auf Um- und Rückschulungen, Checkflüge sowie Werkflüge für die RUAG.
Dies ist natürlich weit entfernt von den Hochzeiten des Flugbetriebs des US-Musters. In den 1970er-Jahren hatte die Schweiz als Ergänzung zur Hawker Hunter für den sogenannten Raumschutz nach einem geeigneten Jäger gesucht und sich für das Northrop-Produkt entschieden. Am 16. März 1976 gab der Nationalrat grünes Licht für die Beschaffung von 66 einsitzigen Tiger und sechs Trainern. Die Endmontage erfolgte größtenteils beim Eidgenössischen Flugzeugwerk in Emmen. Am 10. Oktober 1978 übernahm die Luftwaffe das erste Exemplar; die letzte Maschine folgte schon 1981. Im selben Jahr bestellten die Eidgenossen eine zweite Serie von 32 F-5E und 6 F-5F.
Verkauf an die US Navy
Von den ehemals 110 Maschinen ist heute nicht einmal ein Viertel verblieben. Für die eigenen Aggressor-Einheiten kaufte die US Navy ab 2002 insgesamt 44 Exemplare. In der jüngeren Vergangenheit schlugen die Amerikaner noch einmal zu und erwarben weitere 22 Jets, die derzeit in einem Hangar in Emmen auf ihren Transport über den Atlantik warten. Aktuell befinden sich 25 Tiger im Etat der Schweizer Luftwaffe; davon sind 19 im Betrieb (darunter 4 Doppelsitzer F-5F).
Pilotenmangel
Die Zahl der Einheiten ging ebenfalls stetig zurück. Im Jahr 2017 führten die letzten drei Staffeln ihre finalen Wiederholungskurse durch, in denen die Milizpiloten ihre Fähigkeiten wieder auffrischten. Ähnlich der Nationalgarde in den USA steigen die Milizpiloten in der Schweiz nämlich nur in Teilzeit ins Fighter-co*ckpit und gehen ansonsten anderen Berufen nach. Heute sind nur noch die Fliegerstaffel 19 in Emmen und in etwas geringerem Umfang die Fliegerstaffel 6 in Payerne jeweils mit dem gleichen Aufgabenspektrum aktiv.
Rares Gut sind die Piloten, da der letzte Ausbildungskurs für Milizionäre bereits vor knapp 20 Jahren stattgefunden hat. Derzeit existiert für den Tiger ein Pool von 40 Flugzeugführern, davon sind 17 reine Milizangehörige. Die restlichen 23 verteilen sich auf Berufs- und Stabspiloten sowie Testpiloten von armasuisse und RUAG. Im Schnitt fliegen sie 40 Stunden pro Jahr auf dem Tiger, wie Hämmerli ausführt. "Damit können wir die heute geforderten Aufträge noch abdecken." Neue Piloten werden kaum noch umgeschult, mit Ausnahme neuer Mitglieder der Patrouille Suisse. Eine solche Umschulung dauert etwa drei Wochen.
Patrick Hoeveler
Noch etwa 40 Piloten (Miliz- und Berufspiloten) können den Tiger fliegen.
Robuste Flieger sind sichere Flieger
Hämmerlis fliegerisches Fazit über die F-5 fällt positiv aus. "Das Handling des Flugzeugs ist einfach; es hat gute Flugeigenschaften und liegt stabil in der Luft. Der Tiger hat allerdings zwei, drei kleine Tücken, auf die man achten muss: bei nasser Piste muss der Bremsschirm benutzt werden und mit zusätzlichem Seitenwind benötigt das Abbremsen erhöhte Aufmerksamkeit. Die Anfluggeschwindigkeit ist ziemlich hoch. Und für Fluglehrer erweist sich die Sicht bei der F-5F aus dem hinteren co*ckpit als eingeschränkt. Wenn man das Flugzeug von hinten aus landen muss, stellt das wirklich eine Herausforderung dar. Ansonsten bleibt es wirklich alte Oldschool-Fliegerei. Der Tiger ist wirklich angenehm zu fliegen." Dies spiegelt sich auch in der Unfallstatistik wider: In 44 Jahren mit ursprünglich 110 Flugzeugen kam es nur zu einem tödlichen Absturz. Insgesamt gingen elf Maschinen verloren, davon fünf durch Kollisionen mit anderen Jets. Als weiterer Vorteil gilt die Zuverlässigkeit der F-5. Ihrem Alter entsprechend ist sie recht einfach aufgebaut. "Da muss man den Computer nicht resetten, da hat es noch Seile und Hydraulik, die zum Einsatz kommen, und das funktioniert in der Regel." Dem stimmt Philipp Bienz zu: "Es ist ein solides Flugzeug, für Mechaniker ist alles sehr gut zugänglich." Probleme mit der Ersatzteilversorgung gebe es nicht, da damals ein ausreichender Vorrat beschafft wurde. Den Life-Cycle-Support führt die RUAG im Auftrag der Luftwaffe durch.
Patrick Hoeveler
Nils Hämmerli ist derzeit Flottenchef.
Einsatz noch bis 2030?
Einzig das Radar und das Trägheitsnavigationssystem machen Mühe bei der Aufarbeitung. Teilweise fehlt schlichtweg Personal, das sich noch mit den alten Geräten auskennt; die RUAG musste sogar schon auf Pensionäre zurückgreifen. Strukturell seien bei dem Jet aktuell keine größeren Probleme bekannt, nachdem 2015 Risse am oberen co*ckpitlängsträger gefunden worden waren und behoben werden konnten. Am Ende ihrer Lebensdauer in Bezug auf die Zelle sind die Schweizer Raubkatzen noch nicht: Derzeit liegt die jeweilige Gesamtflugstundenzahl der F-5E zwischen 2500 bis 3000, pro Jahr kommen aktuell rund 90 Stunden pro Flugzeug dazu; die F-5F liegen zwischen 3300 und 3500 Stunden. Das ursprüngliche Instandhaltungskonzept sieht 3900 Stunden vor.
Dennoch ist derzeit völlig offen, wie lange der Tiger noch am Himmel über dem Alpenland zu sehen sein wird. Aufgrund der engen Verbindung mit der Zukunft der Patrouille Suisse geriet das Thema zum hoch emotionalen Politikum. Ursprünglich hatte der Schweizer Bundesrat geplant, das Muster aus Kostengründen (Einsparung von 44 Millionen Franken Betriebskosten pro Jahr) bis 2025 außer Dienst zu stellen. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats forderte im Mai 2022 jedoch eine Verschiebung der Ausmusterung, wohl auch im Hinblick auf die Patrouille Suisse als Aushängeschild des Schweizer Militärs. Und auch die entsprechende Kommission des Nationalrats sprach sich im September letzten Jahres für eine Verlängerung der Dienstzeit bis zur Einsatzreife der ersten F-35-Staffel im Jahr 2030 aus.
Redakteur
Schon früh hat ihn die Faszination Luftfahrt gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. Nach 15 Jahren als Print-Redakteur bei der FLUG REVUE geht es nun online auf die Suche nach spannenden Themen.
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